Wert, sozialer

Aus Eval-Wiki: Glossar der Evaluation
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Eine zunächst biographisch erworbene, kulturell basierte Disposition von Individuen, bestimmte Umstände/Lösungen/Handlungen anderen vorzuziehen. Deskriptiv beschreiben Werte die tatsächlichen Dispositionen von Menschen, normativ solche (sozialen) Dispositionen, die mit unterschiedlichen Begründungen als verbindlich gelten oder eingefordert werden. Werte sind stärker auf längerfristiges Handeln bezogen und auch emotional verankert. Sie können mit kurzfristigen und rational begründeten (z. B. materiellen) Interessen in Widerspruch geraten. Werte im sozialen Zusammenhang werden von Personenmehrheiten (Gruppen, Teilkulturen, Gesellschaften) getragen. Für soziale Programme sind sie relevant, da differierende Werte sozialer Gruppen sowohl zu differierenden Zielen (z. B. bezüglich eines wünschbaren Maßes der gesellschaftlichen Einkommensdifferenzierung), als auch zu differierenden Interventionen (z. B. zwischen Überredung, Anreiz oder Zwang) führen. Klassisch ist hier der Konflikt zwischen den beiden Werten der Leistungsgerechtigkeit und der Bedarfsgerechtigkeit. Im Bildungsbereich zeigt sich ein Konflikt z. B. zwischen den Ansprüchen auf optimale individuelle Förderung einerseits und an Standards orientierter Selektion andererseits, z. B. im Übergang zu weiterführenden Schulen. Es ergeben sich für die Evaluation von z. B. sozialen oder Bildungsprogrammen unterschiedliche, möglicherweise unvereinbare Kriterien für die Bewertung, was die zentrale Stellung der Werte für Evaluationstheorie und -praxis unterstreicht. Evaluationen können in ganz unterschiedlicher Weise mit sozialen Werten umgehen, von deren Ignorierung bis hin dazu, dass Werte zentrale Steuerungsfaktoren der Evaluationsplanung sind (vgl. wertedistanzierte, wertepositionierte, wertepriorisierende und werterelativistische Evaluationsmodelle)

Englischer Begriff

social value

Französischer Begriff

valeur sociale

Quellen

  • Anwander, Norbert (2008): Wert/Werte. In: Gosepath, Stefan/Hinsch, Wilfried/Rössler, Beate (Hg.): Handbuch der politischen Philosophie und Sozialphilosophie. Berlin: Walter de Gruyter, S. 1472-1477.
  • House, Ernest R./Howe, Kenneth R. (1999): Values in evaluation and social research. Thousand Oaks: Sage.
  • Joas, Hans (1999): Die Entstehung der Werte. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
  • Mark, Melvin M./Henry, Gary T./Julnes, George (2000): Evaluation. An integrated framework for understanding, guiding, and improving public and nonprofit policies and programs. San Francisco: Jossey-Bass.
  • Rogers, Carl R. (1974): Lernen in Freiheit. Zur Bildungsreform in Schule und Universität. München: Kösel.(Kapitel 12: Ein zeitgemässer Ansatz für den Prozess des Wertens)
  • Schlömerkemper, Jörg (2017): Pädagogische Prozesse in antinomischer Deutung. Begriffliche Klärungen und Entwürfe für Lernen und Lehren. 1. Auflage. Weinheim: Beltz Juventa.



Stand

11.07.2020